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Historie: Wehrpflicht und Widerstand

Die Wehrpflicht soll nach dem Willen der Deutschen Regierung in den nächsten Tagen wieder eingeführt werden. Diesen Versuch ordnen wir als Teil verschiedener Maßnahmen ein, die das Ziel verfolgen, Deutschland im verschärften imperialistischen Konkurrenzkampf um Einflusssphären und Absatzmärkte handlungs- und wettbewerbsfähig zu machen.

Ein erster Schritt in der Auseinandersetzung mit der Wehrpflicht ist der Blick zurück. 

Einführung und Entwicklung der Wehrpflicht bis zur BRD

Im Jahr 1871 wurde das erste Mal die Wehrpflicht in die Reichsverfassung eingeführt. Damals musste jeder männliche Deutsche ab dem 20. Lebensjahr sieben Jahre dienen. Als aktive Soldaten hatten sie kein Wahlrecht, konnten aber gewählt werden.  Die Einführung lässt sich direkt auf den Deutsch – Französischen Krieg von 1870 – 1871 zurückführen. In diesem Krieg starben 190.000 Soldaten, 230.000 wurden verwundet. Nach der Reichsgründung Bismarcks wurde die Armee in der Gesellschaft deutlich anerkannter und zu einem bedeutenden Teil des Nationalismus gegen die sogenannten „Reichsfeinde“.

Mit Beginn des ersten Weltkrieges 1914 dominierte Nationalstolz und Motivation unter den Wehrpflichtigen. Sie standen hinter der Regierung und waren bereit ihre Rolle als Soldaten wahrzunehmen. Die Verluste und die drohende Niederlage Deutschlands, sorgte aber dafür, dass viele Soldaten desertierten oder sich direkt gegen die Regierung wandten. Die harte Realität des Krieges veränderte nicht nur die Haltung der Soldaten, sondern auch die der Bevölkerung. Eine immer stärker werdende Perspektive gegen den imperialistischen Krieg eröffnete sich.

Für die, die mehr zu der revolutionären Zeit rund um 1918 erfahren möchten, empfehlen wir die Geschichtsbroschüre von Perspekive Kommunismus: „Die Novemberrevolution in Deutschland 1918“.

Mit dem Versailler Friedensvertrag wurde die Wehrpflicht in Deutschland abgeschafft und die Reichswehr stark eingeschränkt. Neben der Reichswehr, die nun eine Berufsarmee war, etablierte sich unter dem Schutz der Weimarer Regierung die sogenannten „Freikorps“. Die Freikorps waren bewaffnete freiwilligen Verbände, zusammengesetzt aus hauptsächlich ehemaligen Frontsoldaten mit monarchistischer und rechtskonservativer Einstellung.

Während die Reichswehr 100.000 Mann umfasste schlossen sich den Freikorps 400.000 Mann an. Eine ihrer grössten Motivationen war das Verhindern von kommunistischen Umsturzversuchen, so ermordeten rechte Freikorps die Revolutionär:innen Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht 1919 in Berlin. Richtige Konsequenzen für die Mörder gab es nicht. Die Regierung lies die Freikorps in ihrem Tun mit der Begründung „Truppe schießt nicht auf Truppe“ gewähren.

In der Zeit des Faschismus wurde die Wehrpflicht trotz des Versailler Vertrages wieder eingeführt. Wehrpflichtig waren deutsche Männer zwischen 18 und 45 Jahren.  Durch Verordnung wurde die Wehrpflicht 1938 auch in Österreich eingesetzt. Wer dies verweigerte, wurde früher oder später mit dem Tod bestraft. 

Wehrpflicht in der BRD

In der BRD wurde die Wehrpflicht 1956 eingeführt, geregelt ist diese zusammen mit der Möglichkeit auf Kriegsdienstverweigerung und Ersatzdienst im Grundgesetz. 

Nach anhaltender Kürzungen und langen Debatten wurde 2011 die Wehrpflicht ausgesetzt. Ein Aussetzen bedeutet, dass die entsprechenden Gesetze nicht abgeschafft sind, sondern einfach nicht durchgesetzt werden. Aktuell kann die Bundeswehr auf über 180.000 uniformierte Soldat:innen zurückgreifen. Anscheinend reicht das aber den Herrschenden nicht aus. Ab 2026 sollen die Wehrpflicht wieder eingeführt und junge Männer verpflichtend gemustert werden.

Als Antimilitarist:innen stellen wir uns klar gegen die Wehrpflicht und den Aufrüstungswahn von Militär und Bundesregierung!

Widerstand gegen Wehrpflicht und Militärdienst

So alt wie die Wehrpflicht und das Militär ist auch der Widerstand dagegen. Das häufigste Mittel ist wohl das Desertieren, also vor dem Krieg fliehen und unterzutauchen. Häufig werden und wurden Deserteure durch die Herrschenden mit dem Tod bestraft. Wer in Deutschland keinen Dienst an der Waffe leisten möchte, kann Ersatzdienst im sozialen Bereich leisten.

Aktuell formieren sich viele breite Bündnisse gegen die Wiedereinführung der Wehrpflicht, wir finden es richtig diese zu unterstützen. Die drohende Wehrpflicht ist bereits jetzt ein Moment, an dem sich viele jüngere Menschen politisieren. Wir dürfen die Wiedereinführung aber auch nicht isoliert sehen: Deutschland rüstet sich wieder auf, um aktiv Kriege zu führen und, um sich einen Platz an der Spitze der westlichen imperialistischen Staaten zu sichern. 

Es ist unsere Aufgabe die Wehrpflicht mit anderen antimilitaristischen Themen und sozialen Fragen in einen Zusammenhang zu stellen – denn während Milliarden für die Bundeswehr ausgegeben werden, spart die Regierung am nötigsten für uns als lohnabhängige Klasse.